Dienstag, 9. März 2021

Internationaler Frauentag oder Der Tag der Mimosen, wie ich ihn nenne

 Zusammenfassung für den eiligen Leser (TLDR - to long did not read).


 Den Internationale Frauentag zu begehen ist gut. Die noch immer bestehenden Ungleichheiten anzugehen ist besser. Bei den Wahlen in diesem Jahr haben wir dazu eine Chance. Aber hingehen und das Kreuz machen muss jeder selbst. Na ja, und wenn das Kreuz zufällig bei den Piraten gemacht wird, umso besser.


Gestern war er, der sog. "Internationale Frauentag". In der DDR wurde er seinerzeit gebührend gefeiert und in einigen Ländern, so auch der Russischen Föderation ist er weiterhin ein offizieller Feiertag. In Berlin ist er sogar gesetzlicher Feiertag, eine Idee, die auch andere Bundesländer übernehmen könnten.


Während der Zeit da Russland meine Wahlheimat war, nannte ich ihn immer "Tag der Mimosen". Und das nicht weil die Frauen sich an diesem Tag irgendwie komisch hatten. Der Grund war ein ganz einfacher.



In Tver, der Bezirkshauptstadt ca. 160 Km von Moskau entfernt, in der ich damals wohnte, gab es zu den Zeiten erstaunlich wenig Schnittblumen am 8. März. Aber kein Mann hätte es sich jemals auch nur im Entferntesten einfallen lassen seine Frau, Freunding, Geliebte oder Lebenspartnerin ohne Blumen und die obligate Konfektschachtel an diesem Tage zu lassen, wenn er nicht länger andauernde schlechte Laune seiner "besseren Hälfte" heraufbeschwören wollte. Überhaupt wurden alle Frauen an dem Tag mit Blumen "überhäuft". Schnittblumen waren rar und wenn, dann handelte es sich i.d.R. um Importware. Was allerdings erstaunlicherweise im Überfluss vorhanden war, das waren Mimosen. Diese kleinen filigranen Zweige an denen kleine gelbe Kügelchen hängen.


Man konnte am 8. März, einem Tag an dem meist noch Schnee lag, Männerhorden sehen, die "bewaffnet" mit den erwähnten Mimosen und den obligaten Konfektschachteln durch die Stadt eilten auf dem Weg zu ihren Frauen.


In den Betrieben, so auch in dem in dem ich seinerzeit tätig war, wurde am Tag zuvor schon der Frauentag begangen. Der betriebliche Alltag war vergessen. Man traf sich entweder in einer größeren Räumlichkeit des Betriebs oder in einer Gaststätte. Dort saß man zusammen, es gab ein  kaltes Büffet, das die Herren der Schöpfung vorbereitet hatten. Es gab kleine Geschenke für die Ladies. Gemeinsames Singen und Tanzen kamen nicht zu kurz. Und erst spät in der Nacht lösten sich die Feiern allmählich auf.


Alles in allem ein schöner Tag, nicht nur für die geehrten Frauen.


Eines hat der 8. März allerdings mit dem 9. Mai, dem Tag des Sieges in "Großen vaterländischen Krieg", dem Zweiten Weltkrieg, gemein. Am 9. Mai werden die Veteranen des "WoW" geehrt, ebenfalls mit Geschenken und Blumen. Die obligate Militärparade auf dem Roten Platz darf nicht fehlen und Veteranen bekommen Ehrenplätze auf den Tribühnen.


Die Ehrbezeugungen für die Veteranen sind kaum verklungen, da stürzen die eben noch Geehrten zurück in ihre miserable soziale Situation, die gekennzeichnet ist von Minimalrenten, die das Überleben oft zur Kunst werden lassen. Und den eben noch hochgeehrten Frauen? Denen geht es in der Regel auch nicht viel besser. Die Doppelbelastung aus Beruf - so eine Anstellung vorhanden ist - und Familie schlägt erneut unbarmherzig zu. Besonders hart trifft es die älteren Frauen, deren Rente so minimal ist, dass sie ohne die Hilfe Ihrer Familie nicht zurande kommen können.


Die traditionelle Rollenverteilung Mann - Frau feierte in Russland zumindest bis zu meinem Abschied noch fröhliche Urstände. Um es klar zu machen, das ist nicht allein der "Verdienst" der Männer. Es hat zum Teil seine Ursache auch im von den Frauen verinnerlichten Selbstverständnis von dem was ein Mann in der Familie zutun hat und dem was eine Frau dort zu machen hat.


Aber allmählich setzt auch hier - zumindest in den größeren Städten - der Wandel ein. Zudem gibt es eine zunehmende Mittelschicht in der geschäftlich sehr erfolgreiche Frauen ein deutliches Wörtchen mitreden.


Im "gemeinsamen" Deutschland scheint der Tag noch nicht ganz angekommen zu sein. Das ist eine vertane Chance um auf das immer noch krasse Mißverhältnis zum Beispiel in der Frage "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" in das öffentliche Bewußtsein zu bringen.


Wie dem auch sei. Ich denke jeder Tag kann so eine Art "Frauen-" oder besser "Menschentag" sein, an dem wir uns klar machen was im Verhältnis Mann-Frau noch im Argen liegt und was wir besser machen sollten.


Eine kleine Chance dafür bietet sich in diesem Jahr bei den bevorstehenden Landtags- und der Bundestagswahl. Wir könnten ja mal ein Auge darauf werfen ob und welche programmatischen Bestandteile der Wahlprogramme sich mit dieser Frage auseinandersetzen und demzufolge unser Kreuz bei den Kandidaten und Parteien  zu machen, die dazu nicht nur Aussagen bereithalten, sondern die ggfs. auch schon Forderungen praktisch umgesetzt haben.



P.S. 

Mehr zum Internationalen Frauentag bei Wikipedia

Plakat Von Karl Maria Stadler (1888 – nach 1943) - Scan from an old book,  Gemeinfrei