Donnerstag, 25. Juli 2019

Europa ist nah... und doch ferner denn je

Und dennoch scheint es, dass es ferner ist als je zuvor. Boris Johnson, der Polit-Clown von einst, der dafür mit der Lügenparole vom angeblich einzusparenden Betrag von mehreren Hunderttausend britischen Pfund wöchentlich dafür sorgte die  Debatte zugunsten des Brexit zu wenden, er wurde Premierminister.

Der so nach dem Brexit eingesparte Betrag solle später dem maroden britischen Gesundheitssystem zugute kommen. So wurde damals die Debatte gedreht. Der Brexit kam nicht und keine vermeintlichen Einsparungen landeten im Gesundheitssyste. Es ist so marode wie eh und je. Und nun will er, Boris Johnson, da er Premierminister geworden ist, mit aller Gewalt den Brexit durchsetzen, zur Not auch ohne eine Vereinbarung mit der Europäischen Union.

Längst vergessen scheint in Großbritannien die wegweisende Rede von Winston Churchill im Jahre 1946 in Zürich. Da hatte der alte Grandseigneur der britischen Politik von einem vereinten Europa geredet. Wiederholt wurde die Idee von ihm in seiner Rede 1949 anlässlich der Verleihung der Hugo Grotius Medaillie, benannt nach Hugo Grotius,  der als „Vater des Völkerrechts“ git,  in London.
Er äußerte damals, dass eine Westeuropäische Union ein erster Schritt auf dem Weg zu einem Vereinten Europa sei. Von einem Vereinten Europa sind wir noch weit entfernt.



Und dennoch, in der Tat, die Erfolge der EU lassen sich sehen. Wenn vielleicht auch nicht die viel- und zu Recht - geschmähte Gurkenkrümmungsverordnung. Auch der allzu offensichtliche - und zum Glück gescheiterte - Versuch den Absatz von Olivenöl dadurch anzukurbeln, dass man es Restaurants verbieten wollte Olivenöl in nachfüllbaren Kännchen auf den Restauranttischen zu platzieren. An Stelle dessen sollten Gastwirte nach jeder Bewirtung eine neue ungeöffnete Packung Olivenöl auf den Tisch stellen müssen.

Der Irrsinn ist uns Gott sei Dank erspart geblieben. Ob das Glühlampenverbot, das zum vermehrten Verkauf sog. Energiesparlampen führte, zu den Highlights europäischer Politik zu zählen ist, darf fuglich bezweifelt werden. Führte diese Verbot doch nur dazu Leuchtmittel zu propagieren, die im Grunde nichts anders sind als verkappte Leuchtstoffröhren mit nicht unerheblichen Schadstoffanteilen wie Quecksilber und anderen Schadstoffen. Darum muss man solche Energiesparlampen auch entsprechend entsorgen und nicht einfach in den Hausmüll werfen.

Das Verbot der Glühlampe hat aber letztlich zum Siegeslauf der sog. LED-Lampen beigetragen. In früheren Zeit unerschwinglich teuer, teilen LED bestückte Leuchtmittel nun das Schicksal des elektronischen Taschenrechners. Ehedem teuer selbst allein nur mit vier Grundrechenarten ausgestattet, liegt das teure technische Wunderwerk von einst nun bei Woolworth auf dem Grabbeltisch und ist bereits für einen Euro zu haben. Nicht anders bei den LED-Lampen, die heute bei IKEA für moderate Preise zu haben sind. Diese Lampen halten nicht nur erstaunlich lang, sondern benötigen zu ihrem Betrieb auch nur noch Bruchteile der Energie, die Lampen und Energiesparlampen einst verschlangen. Allerdings sind auch sie was Schadstoffe und Umweltaspekte angeht, nicht unproblematisch.

Die Entwicklung hin zu solchen technischen Meilensteinen  verdanken wir der Europäischen Union. Auch die Standardisierung der Anschlüsse von Mobiltelefonen ist ein Erfolg, der letztlich dafür sorgt, dass der Verbraucher im Falle eines Falles ein Mobiltelefon aufladen kann, ohne gleich den teuren und sinnlosen Kauf eines Spezialnetzteils in Erwägung ziehen zu müssen.

Die Begrenzung der Mobilfunkgebühren sowohl für eingehende als auch ausgehende Telefonate mit dem eigenen Handy in einem andern Mitgliedsstaat ist ein gutes weiters Beispiel für die segensreichen Politik der Europäischen Union. Nicht zu vergessen sei das Schengen-Abkommen, das es uns ermöglicht innereuropäische Grenzen zu Mitgliedsstaaten ohne lästige Kontrollen zu überschreiten. Letztlich wird sich auch der freuen, der im Internet etwas aus Frankreich oder Holland kauft. Der Gang zum Zoll um Zollgebühren zu zahlen entfällt in der regel. Dass der Käufer ggfs. die Mehrwertsteuer als sog. "Einfuhrumsatzsteuer" zahlen muss, steht auf einem anderen Blatt und kann kaum der EU angelastet werden.

Und das alles will der neue gefährliche Polit-Clown in London aufs Spiel setzen. Dazu noch - und das ist besonders pikant - wird er genötigt sein, die Außengrenzen der EU auf der irischen Insel zu akzeptieren. Die Bürgerkriegsszenen in Londonderry von einst werden als bereits totgesagte Gespenster wieder auftauchen. Und Schuld daran ist nicht die EU, sonder Polithasardeure wie Boris Johnson und Nigel Farrage, dessen neu gegründete Brexit-Partei bei der Europawahl in Großbritannien die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Vielleicht wachen die letzten politischen Schlichtgemüter, die mit ihrer Stimmabgabe den Brexit erst machbar erscheinen ließen, auf der Insel endlich auf, wenn auch das letzte britische Automobilwerk das bis heute den Mini auf der Insel produziert, endgültig seine Pforten schliesst. Nur um an anderer Stelle, z.B. in Tschechien, Ungarn, Rumänien, Portugal oder gar Spanien eine fröhliche Wiederauferstehung zu feiern. Da der Mini zum BMW-Konzern gehört ist das kein unvorstellbares Szenario.

Auch den Bau von Flugzeugtriebwerken, einst eine Domäne von Rolls Royce, wird der Brachial-Brexit nicht unangetastet lassen. Werke wie das südlich von Berlin am Autobahnring gelegene, werden sicher davon profitieren, gehören sie doch auch mittlerweile ebenfalls zu BMW.Rolls-Royce. Banken sehen sich schon heute ebenfalls nach einem Alternativstandplatz um und Paris und Frankfurt, nicht zu vergessen Amsterdam, buhlen um die Gunst der Banken. Das Nachsehen hat die Londoner City. Fallende Immobilienpreise sind erste Vorboten.

Ob eine vollmundig angekündigte Unternehmenssteuerreform mit niedrigen Steuersätzen für Unternehmen letztlich dazu führt, dass nennenswerte Neuansiedlungen in Großbritannien erfolgen werden, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Es ist kaum vorstellbar, daß eine Volkswirtschaft quasi über Nacht ihre letzten industriellen Reserven über Bord wirft nur um sogleich als Offshore-Steuerparadies ein wirtschaftliches Comeback zu erleben. Ob die lauthals in Washington seinerzeit verkündete Sympathie für den EU-Austritt Großbritanniens etwas bringt, ist mehr als fraglich. gemäß dem alten Bismarckschen Satz dass Staaten keine Freunde sondern nur Interessen haben, werden die Brexit-Jubler bald bgreifen, dass es dem amerikanischen Präsidenten nicht um Freundschaftsbezeugungen geht, sondern um die für ihn vorteilhaften Folgen des römischen Prinzips des "Dividere et impera" - Teile und herrsche.



Ausbaden werden das die zu haben, die mit Hurragebrüll ihren vermeintlichen Wohltätern in einen kopflosen Ausstieg aus der Europäischen Union gefolgt sind. Bleibt zu hoffen, dass es sie einerseits nicht allzu hart trifft, auf der anderen Seite die EU aber ihre eindeutige "keine weiteren Verhandlungen" Position beibehält. Bei dem bisherigen französischen Verhandlungsführer Michel Barnier bin ich mir da sicher. Bei dessen neuem Chef ,Ursula von der Leyen, hingegen bin ich mir bei deren bisherigen politischen "Erfolgen" in verschiedensten bundesdeutschen Ministerien hingegen nicht so sicher.

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