Freitag, 19. Juli 2019

Spannende Tage















Heute vor 50 Jahren, ich war gerade 17 Jahre alt und mit meinen Großeltern und meiner Mutter in Heidelberg, konnte ich auf einem Fernsehschirm in einem Warenhaus selbst miterleben, wie Neil Armstrong seinen Fuß auf den Mond setzte und dabei den klassischen Satz vom kleinen Schritt für einen Menschen, aber großen Schritt für die Menschheit sprach.

Die Bedeutung des Satzes war wohl der Mehrheit von uns nicht klar. Der Satz selbst hat die Zeiten überlebt und ist zum geflügelten Wort geworden. Er spiegelt u.a. das Bild einer Menschheit wider, in der es völlig sinnlos ist die Frage nach unterschiedlichen Ethnien zu stellen. Auch die Bedeutung von unterschiedlichen Religionen ist in dem Moment gleich Null. Armstrong hat den Mond weder im Namen einer Religion, Weltanschauung oder politischen Ideologie in Besitz genommen. Er kam als Vertreter der Spezies Mensch und sonst nichts.

50 Jahre später scheinen wir mehr von dieser Sichtweise entfernt als je zuvor.  Vermeintlich religiöse Eiferer setzen alle Mittel ein um vermeintlich Nichtgläubige zu töten im Namen eines allmächtigen Gottes, den sie für sich allein gepachtet haben. Politische Mörder können in Deutschland wieder diejenigen töten, die ihnen und ihren Ideologien im Wege stehen, sei es, dass die Getöteten einer anderen Ethnie angehören, aus anderen Ländern eingewandert sind oder bedingungslos auf den Prinzipien beharren, die man als ethische Grundwerte Europas versteht. Di Ermordung eines Walter Lübcke war damals noch ebenso fern wie die Morde des NSU und die Attentäter des 9. November, die Tausende von Menschen in den Türmen des World Trade Centers waren unvorstellbar.

Fortschritt erscheint immer als sich Schritt für Schritt aus Altem längst Überwundenem zu lösen und aus Fehlern in der Geschichte der Menschheit die richtigen Schlüsse zu ziehen. War der erste Schritt von Neil Armstrong in diesem Sinne letztlich auch ein "Fortschritt", so hat der Fortschritt im Sinne von sich aus alten Fesseln zu lösen, offenbar doch kaum stattgefunden.

Sicher, wir haben viele neue Dinge erdacht und real werden lassen. Wer hätte sich vor 50 Jahren erträumen können ,dass wir alle heute Minicomputer mit uns herumtragen, die es uns ermöglichen, sich in Sekundenbruchteilen mit Menschen am anderen Ende der Welt zu verbinden. Das Versenden von Bildern und Sprachnachrichten von fast jedem beliebigen Punkt der Erde and fast jeden anderen beliebigen Punkt erscheint uns heute banal. Der unmittelbare Empfang von Echtzeitinformationen, das Dabeisein bei historischen Momenten, nahm damals vor 50 Jahren seinen Anfang. Haben diese Möglichkeiten uns "besser" gemacht? Ich bezweifele es.

Morgen jährt sich auch der Tag des Attentats auf Adolf Hitler in der Wolfsschanze zum 75. mal.  Die Widerstandskämpfer des 20. Juli, zum Teil am Anfang des Regimes des Nationalsozialismus selbst glühende Anhänger der NS-Ideologie, versuchten im letzten Moment das Ruder herumzureißen und das unabwendbare Schicksal Deutschlands, in das die Nazis Deutschland getrieben hatten, aufzuhalten. Vergeblich, wie man heute weiß.

Ich war damals noch nicht geboren und kann mir daher aus eigenem Erleben kein Urteil darüber erlauben wie es letztlich zu dem kam, was man unter dem "Dritten Reich" und dem Nationalsozialismus versteht. Aus den Erzählungen meiner Großmutter und meiner Mutter weiß ich jedoch, dass der Nationalsozialismus im unverfänglichen Gewand des Alltäglich kam in dem es u.a. darum ging nach dem Elend der Weltwirtschaftskrise endlich besser leben zu wollen.

Was ging es da jemanden an, wenn der Nachbar über Nacht verschwand? Schließlich hatte es der "Führer" seinerzeit auch geschafft, die olympischen Spiele 1936 in Berlin zu organisieren und der Weltgemeinschaft das Bild eines friedliebenden Deutschland zu vermitteln. Ein Staat, der es schaffte, Urlaubsreisen für seine Mütter zu organisieren, die sich vorher nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ein solches Ausbrechen aus dem Alltag zu organisieren, wie konnte ein solcher Staat und sein Regime verbrecherisch sein?

Als es zu den Verwüstungen des 9. November 1938, der sog. "Reichskristallnacht" kam, wagte es seinerzeit nur noch eine verschwindende Minderheit offen darüber zu reden. oder gar zu handeln. Zur Problematik der Mitglieder des Widerstandes um Claus Graf Schenk von Stauffenberg und den anderen Attentätern des 20. Juli mehr hier.  Das Regime hatte sich bereits in den Köpfen der Menschen verfestigt und was vermeintliche Wohltaten nicht schafften, das schaffte nun die Drohung selbst zum Opfer des Regimes zu werden. Falsch verstandene Pflichterfüllung einerseits und Bindung an Eide und Gehorsam andererseits taten ihr Übriges. Sind wir heute dagegen gefeit erneut den nationalistischen Rattenfängern mit deren vermeintlich richtigen und leicht verdaulichen Ideologien von "Umvolkung" und Immigrantenstürmen, die den Hunnen gleich über Europa herfallen, Widerstand zu leisten?

Spätestens nach den Vorgängen in Chemnitz, in denen sich ein vermeintlicher "Volkszorn" bahnbrach und bei denen man erkennen konnte, wie sich erneut die Hydraköpfe des vermeintlich Überwundenen erhoben, muß man erkennen, dass die Ideologie des Unmenschen noch lange kein vergangener Teil der menschlichen Geschichte ist. Die "Banalität des Bösen", von der einst Hanna Ahrend schrieb, lebt weiter fort. Und wenn es eine Aufgabe gibt, dann die, das Erstarken solcher Ideologien, die sich heute auch im Gewand des "besorgten Bürgers" scheinbar unmerkbar  in den Alltag einschleichen, mit allen Mitteln zu verhindern.



Das ist die Lehre des 20. Juli 1944, die es gilt u.a. auch in den bevorstehenden Landtagswahlen nicht zu vergessen.

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