Samstag, 27. Juli 2013

Wer einen Hammer als einziges Werkzeug hat, dem ist alles andere nur ein Nagel.

Die Demonstrationen vom 27. Juli 2013 sind vorbei. Leute sind gegen die Überwachung ihrer Privatsphäre auf die Strasse gegangen. Es hätten natürlich viel mehr sein können, aber so sind sie nun mal die Deutschen.

Insgesamt sind rund 10.000 Paranoide, wenn man dem ehemaligen Innenminister Otto Schily glauben darf, auf den Strassen gewesen. Otto Schily, der einstige Shootingstar der Linken, der Rechtsanwalt der mit scharfer Zunge und scharfem Verstand erst Hausbesetzer in Berlin verteidigte um anschliessend Angeklagte aus den Reihen der RAF in Stammheim zu verteidigen, hat eine erstaunliche Wandlung hinter sich. Vom Bundestagsabgeordneten der Grünen hat er es geschafft sich als Innenminister und Hardliner in der SPD darzustellen. Und eben dieser Otto Schily meint heute, dass es sich bei der Diskussion um die Praktiken des NSA um Getöse handele.

Nicht von der NSA ginge die Gefahr aus sondern vom Terrorismus und der organisierten Kriminalität. Die Praktiken jedenfalls dienten dem Schutz des Bürgers vor eben diesen Terroristen und Kriminellen. Und dazu könnte man ja einfach mal folgenden Fragen nachgehen:

Es gab in Japan den Giftgasanschlag einer Sekte auf die U-Bahn in Tokio. Hatte Japan einen Sicherheitsdienst? Sicher. Hat man die Sekte abgehört? Das weiss ich nicht. Hat man den Anschlag verhindert? Nein.

Ein Trupp bewaffneter und mit Sprenggürtel ausgerüsteter Terroristen überfällt die Zuschauer eines Moskauer Theaters während der Aufführung und droht damit die Zuschauer als auch sich selbst in die Luft zu sprengen. Eindringende Sicherheitskräfte töten sowohl die Geiselnehmer als mittels benutztem Gas auch eine große Anzahl der Geiseln. Hatte Russland einen Sicherheitsdienst? Einen? Was rede ich, Russland hat neun unterschiedliche Dienste die sich mit der inneren und äußeren Sicherheit befassen. Hat man die Geiselnehmer abgehört? Ich weiss es nicht und der KGB, heute FSB genannt, ist ja auch nicht gerade ein Ausbund an Auskunftsfreude. Hat der FSB den Zwischenfall verhindert? Nein

Zwei Frauen versuchen in Moskau, versehen mit Sprengstoffgürteln auf das Gelände eines Rockfestivals zu kommen. Sie werden bei der Kontrolle an der Kasse gestellt. Eine der Attentäterinnen versucht sich in die Luft zu sprengen. Das misslingt. Hat der FSB das Attentat im vornherein verhindert? Nein

Einer Bombe explodiert in der U-Bahnstation Puschkinskaya in Moskau. Konnte der Inlandsgeheimdienst das Attentat verhindern? Nein, ebenso wenig wie der spanische Sicherheitsdienst den Anschlag auf Vorortzüge oder der britische Geheimdienst den Anschlag auf die U-Bahn in London. Auch den ersten Anschlag auf das World Trade Center bei dem ein mit Sprengstoff beladenes Auto seinerzeit in der Tiefgarage in die Luft gejagt wurde konnte nicht verhindert werden.

Das den “Krieg gegen den Terrorismus” auslösende Attentat auf das World Trade Center schliesslich, wurde es durch Überwachung verhindert? Wir alle wissen die Antwort. Die Liste ließe sich beliebig fortführen.

Der repressive Staat kam im Hase-und-Igel-Rennen mit dem Terrorismus im entscheidenden Moment immer zu spät obwohl er bis an die Zähne bewaffnet war und seine Sicherheitsdienste ihre Methoden immer mehr verfeinerten. Und nun kommt der Vater des biometrischen Personalausweises und erklärt dem staunenden Publikum nicht nur dass es offensichtlich einen Schutz gegen den Terror gäbe und fügt als Sahnetupfen hinzu dass man die Stammwählerschaft der SPD nicht verprellen dürfe, denn für die seien “Law und Order” klassische Werte. Darüber hinaus dürfe man das gute Verhältnis zu den USA nicht gefährden.

Fangen wir mit dem letzteren an. Als die USA seinerzeit die “Allianz der Willigen” schmiedete um sich Hilfstruppen für den Irakkrieg zu besorgen, da machte Deutschland nicht mit. Was passierte? Ausser dem Gerede eines Donald Rumsfeld vom “alten Europa” kam nicht viel. Weder wurde Deutschland der Krieg erklärt noch der Bundeskanzler gekidnappt. Im Unterschied zu denen die meinen in einseitiger falsch verstandener Nibelungentreue handeln zu müssen stellt sich nämlich heraus, dass Deutschland nicht nur auf die USA angewiesen ist, sondern die USA Deutschland ebenso benötigt und sei es nur im Rahmen der EU wo Deutschland eine zunehmend wichtigere Rolle einnimmt.

Dass Law und order klassische SPD-werte seien, das ist mir allerdings neu. Ich erinnere mich da eher noch an Willy Brandt und dessen “mehr Demokratie wagen”. Aber das ist lang lang her. In der Zwischenzeit haben eher die Erben Gustav Noskes das Ruder in der SPD in die Hand genommen und Deutschland verwüstet. Und da passt ein Otto Schily mit seiner Innenpolitik, ein Wolfgang Clement mit seiner Arbeits- und Sozialpolitik, ein Peer Steinbrück mit dessen Einsatz für die “Strukturierten Finanzprodukte” und ein Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010, die den Abwärtstrend der SPD beschleunigten, dann wunderbar hinein. Schließlich muss einer den Bluthund machen im Zweifelsfall.

Dass ich von einem ehemaligen Grünen und dann SPD Mitglied noch den Vergleich von innenpolitischen Opponenten mit Paranoiden hören würde, das hätte ich in meinen tiefsten Träumen nicht für möglich gehalten. Bisher war mir der Einsatz des Psychiatrie und die Verunglimpfung politischer Gegner als psychisch Gestörte nur aus den schwarzen Zeiten der UdSSR in Erinnerung geblieben. Ja, so kann man sich täuschen. Den abschließenden Hinweis Schilys dass die grossen Parteien in der Debatte um ‘PRISM und den ‘NSA nichts zu gewinnen hätten, diesen Eindruck kann ich nur unterstreichen. Das Problem besteht nicht erst seit gestern sondern tauchte bereits 1963 auf. Im Gefolge einer Abhöraffaire erklärte der damalige Bundesinnenminister Höcherl (CSU) dass Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht permanent mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen könnten. Die Krönung fand dieses verquere Verfassungsverständnis unlängst in der Schaffung von Supergrundrechten durch den amtierenden Innenminister Friedrich. Wer eben einen Hammer als einziges Werkzeug zur Hand hat, dem ist jedes Problem eben ein Nagel. Und Terrorismus bekämpft man eben repressiv und nicht proaktiv vorausschauend in dem man die Ursache beseitigt.


Was folgt daraus? Für viele folgt daraus nichts. Sie werden weiterhin “die Kanzlerin wählen” obwohl sie das nicht können, die Abgeordneten wählen die Kanzlerin,  oder das Märchen vom Wandel unter Rot-Grünglauben. Andere, und ich hoffe genug, werden sich nicht in das Bockshorn jagen lassen und endlich reale Opposition in den Bundestag wählen. Was die “großen demokratischen Volksparteien” dann machen werden, ehrlich gesagt, es kümmert mich nicht.

P.S. gut übrigens zu wissen dass ich mit meiner Paranoia nicht allein da stehe. Der US-amerikanische Präsident Carter scheint auch krank zu sein.

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