Samstag, 27. Juli 2013

Wer einen Hammer als einziges Werkzeug hat, dem ist alles andere nur ein Nagel.

Die Demonstrationen vom 27. Juli 2013 sind vorbei. Leute sind gegen die Überwachung ihrer Privatsphäre auf die Strasse gegangen. Es hätten natürlich viel mehr sein können, aber so sind sie nun mal die Deutschen.

Insgesamt sind rund 10.000 Paranoide, wenn man dem ehemaligen Innenminister Otto Schily glauben darf, auf den Strassen gewesen. Otto Schily, der einstige Shootingstar der Linken, der Rechtsanwalt der mit scharfer Zunge und scharfem Verstand erst Hausbesetzer in Berlin verteidigte um anschliessend Angeklagte aus den Reihen der RAF in Stammheim zu verteidigen, hat eine erstaunliche Wandlung hinter sich. Vom Bundestagsabgeordneten der Grünen hat er es geschafft sich als Innenminister und Hardliner in der SPD darzustellen. Und eben dieser Otto Schily meint heute, dass es sich bei der Diskussion um die Praktiken des NSA um Getöse handele.

Nicht von der NSA ginge die Gefahr aus sondern vom Terrorismus und der organisierten Kriminalität. Die Praktiken jedenfalls dienten dem Schutz des Bürgers vor eben diesen Terroristen und Kriminellen. Und dazu könnte man ja einfach mal folgenden Fragen nachgehen:

Es gab in Japan den Giftgasanschlag einer Sekte auf die U-Bahn in Tokio. Hatte Japan einen Sicherheitsdienst? Sicher. Hat man die Sekte abgehört? Das weiss ich nicht. Hat man den Anschlag verhindert? Nein.

Ein Trupp bewaffneter und mit Sprenggürtel ausgerüsteter Terroristen überfällt die Zuschauer eines Moskauer Theaters während der Aufführung und droht damit die Zuschauer als auch sich selbst in die Luft zu sprengen. Eindringende Sicherheitskräfte töten sowohl die Geiselnehmer als mittels benutztem Gas auch eine große Anzahl der Geiseln. Hatte Russland einen Sicherheitsdienst? Einen? Was rede ich, Russland hat neun unterschiedliche Dienste die sich mit der inneren und äußeren Sicherheit befassen. Hat man die Geiselnehmer abgehört? Ich weiss es nicht und der KGB, heute FSB genannt, ist ja auch nicht gerade ein Ausbund an Auskunftsfreude. Hat der FSB den Zwischenfall verhindert? Nein

Zwei Frauen versuchen in Moskau, versehen mit Sprengstoffgürteln auf das Gelände eines Rockfestivals zu kommen. Sie werden bei der Kontrolle an der Kasse gestellt. Eine der Attentäterinnen versucht sich in die Luft zu sprengen. Das misslingt. Hat der FSB das Attentat im vornherein verhindert? Nein

Einer Bombe explodiert in der U-Bahnstation Puschkinskaya in Moskau. Konnte der Inlandsgeheimdienst das Attentat verhindern? Nein, ebenso wenig wie der spanische Sicherheitsdienst den Anschlag auf Vorortzüge oder der britische Geheimdienst den Anschlag auf die U-Bahn in London. Auch den ersten Anschlag auf das World Trade Center bei dem ein mit Sprengstoff beladenes Auto seinerzeit in der Tiefgarage in die Luft gejagt wurde konnte nicht verhindert werden.

Das den “Krieg gegen den Terrorismus” auslösende Attentat auf das World Trade Center schliesslich, wurde es durch Überwachung verhindert? Wir alle wissen die Antwort. Die Liste ließe sich beliebig fortführen.

Der repressive Staat kam im Hase-und-Igel-Rennen mit dem Terrorismus im entscheidenden Moment immer zu spät obwohl er bis an die Zähne bewaffnet war und seine Sicherheitsdienste ihre Methoden immer mehr verfeinerten. Und nun kommt der Vater des biometrischen Personalausweises und erklärt dem staunenden Publikum nicht nur dass es offensichtlich einen Schutz gegen den Terror gäbe und fügt als Sahnetupfen hinzu dass man die Stammwählerschaft der SPD nicht verprellen dürfe, denn für die seien “Law und Order” klassische Werte. Darüber hinaus dürfe man das gute Verhältnis zu den USA nicht gefährden.

Fangen wir mit dem letzteren an. Als die USA seinerzeit die “Allianz der Willigen” schmiedete um sich Hilfstruppen für den Irakkrieg zu besorgen, da machte Deutschland nicht mit. Was passierte? Ausser dem Gerede eines Donald Rumsfeld vom “alten Europa” kam nicht viel. Weder wurde Deutschland der Krieg erklärt noch der Bundeskanzler gekidnappt. Im Unterschied zu denen die meinen in einseitiger falsch verstandener Nibelungentreue handeln zu müssen stellt sich nämlich heraus, dass Deutschland nicht nur auf die USA angewiesen ist, sondern die USA Deutschland ebenso benötigt und sei es nur im Rahmen der EU wo Deutschland eine zunehmend wichtigere Rolle einnimmt.

Dass Law und order klassische SPD-werte seien, das ist mir allerdings neu. Ich erinnere mich da eher noch an Willy Brandt und dessen “mehr Demokratie wagen”. Aber das ist lang lang her. In der Zwischenzeit haben eher die Erben Gustav Noskes das Ruder in der SPD in die Hand genommen und Deutschland verwüstet. Und da passt ein Otto Schily mit seiner Innenpolitik, ein Wolfgang Clement mit seiner Arbeits- und Sozialpolitik, ein Peer Steinbrück mit dessen Einsatz für die “Strukturierten Finanzprodukte” und ein Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010, die den Abwärtstrend der SPD beschleunigten, dann wunderbar hinein. Schließlich muss einer den Bluthund machen im Zweifelsfall.

Dass ich von einem ehemaligen Grünen und dann SPD Mitglied noch den Vergleich von innenpolitischen Opponenten mit Paranoiden hören würde, das hätte ich in meinen tiefsten Träumen nicht für möglich gehalten. Bisher war mir der Einsatz des Psychiatrie und die Verunglimpfung politischer Gegner als psychisch Gestörte nur aus den schwarzen Zeiten der UdSSR in Erinnerung geblieben. Ja, so kann man sich täuschen. Den abschließenden Hinweis Schilys dass die grossen Parteien in der Debatte um ‘PRISM und den ‘NSA nichts zu gewinnen hätten, diesen Eindruck kann ich nur unterstreichen. Das Problem besteht nicht erst seit gestern sondern tauchte bereits 1963 auf. Im Gefolge einer Abhöraffaire erklärte der damalige Bundesinnenminister Höcherl (CSU) dass Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht permanent mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen könnten. Die Krönung fand dieses verquere Verfassungsverständnis unlängst in der Schaffung von Supergrundrechten durch den amtierenden Innenminister Friedrich. Wer eben einen Hammer als einziges Werkzeug zur Hand hat, dem ist jedes Problem eben ein Nagel. Und Terrorismus bekämpft man eben repressiv und nicht proaktiv vorausschauend in dem man die Ursache beseitigt.


Was folgt daraus? Für viele folgt daraus nichts. Sie werden weiterhin “die Kanzlerin wählen” obwohl sie das nicht können, die Abgeordneten wählen die Kanzlerin,  oder das Märchen vom Wandel unter Rot-Grünglauben. Andere, und ich hoffe genug, werden sich nicht in das Bockshorn jagen lassen und endlich reale Opposition in den Bundestag wählen. Was die “großen demokratischen Volksparteien” dann machen werden, ehrlich gesagt, es kümmert mich nicht.

P.S. gut übrigens zu wissen dass ich mit meiner Paranoia nicht allein da stehe. Der US-amerikanische Präsident Carter scheint auch krank zu sein.

Wir sind Anti-Amerikaner?

27. Juli 2013 - Schon seit ein paar Wochen gärt es in Deutschland, vielleicht nicht ganz laut, aber immerhin. Selbst Mainstream-Medien können es nicht mehr überhören. Edward Snowden, ein Mitarbeiter eines IT-Unternehmens das u.a. auch für Sicherheitsdienste der Vereinigten Staaten gearbeitet hat, hat es an das Licht der Öffentlichkeit gebracht. Was bisher als zusammengesponnenes Konstrukt von Verschwörungstheoriefanatikern erschien, ist Wahrheit geworden. Mittels Telekommunikationsüberwachung haben Sicherheitsdienste des In- und Auslandes sich bestens darüber informiert was Bundesbürger so denken. Speicherten die einen “nur” Verbindungsdaten (Wer mit wem wann in Kontakt trat) haben andere auch die Datenpakete aufgeschnürt um sich vom Inhalt zu überzeugen. All das geschehen unter dem Thema “Kampf gegen den Terror”.

Eiligst war man allerorten bei den Regierenden bemüht die Affäre herunterzuspielen. Waren es anfangs noch 45 Terroranschläge die man dank der Überwachung verhütet haben wollte, so schmolzen die beim Bundesinnenminister später dann flugs auf sieben und später auf fünf Anschläge zusammen um am Ende schnell aus der Debatte zu verschwinden. Die überwachenden “Freunde” aus den Vereinigten Staaten wurden freundlichst um Aufklärung gebeten. Ganz im Stil eines Satrapen der untertänigst am Hof des Herrschers vorspricht, genau so trat der Bundesinnenminister in Washington auf. Zurückgekehrt nach Berlin hatte er allerdings wenig Klares zu bieten, Symbolik statt Handeln eben.

Und damit man der Öffentlichkeit auch die genügende Menge an Sand in die Augen streuen konnte holte man die Argumentskeule des “Anti-Amerikanismus” ganz im Stile eines “Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns”  aus der Mottenkiste in der Hoffnung damit die Debatte, die das Zeug hat die “beliebte Kanzlerin” zu beschädigen, beenden zu können. Verfängt das Argument? Zumindest bei mir nicht. Ich fühle mich genauso wenig als “Anti-Amerikaner” wie der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten Jimmy Carter, der im Gegensatz zu unserem Bundespräsidenten klare Worte fand.

Nein, ich ziehe mir das mir hingehaltene Etikett des “Anti-Amerikanismus” nicht an. Ich mag Amerika, oder genauer gesagt die Vereinigten Staaten von Amerika. Mit dem Slogan “No taxation without representation” zeigten die Bewohner der damaligen britischen Kolonie welches Demokratieverständnis und Verhältnis zu den Regierenden sie im Gegensatz zum britischen König hatten. Das Ganze mündete in der Unabhängigkeitserklärung deren Text auch heute noch eine der wesentlichen Quellen von Verfassungen in demokratischen Staaten bildet.

Mein Verhältnis zu Amerika

Kindheit

Wer so alt ist wie ich, der hat seine Kindheit und Teile seiner Jugend sicher auch mit Karl May verbracht, dem Schriftsteller der selbst nie in Amerika war. Mit der Gestalt des Winnetou schuf Karl May eine Figur, die uns abseits der Geographie-Stunde in der Schule viel eher für Amerika begeistern konnte als der Lehrer der uns die Geographie nahebringen wollte. Tom Sawyer und Huckleberry Finn versetzten uns ins Zeitalter der Sklaverei und brachten uns auch mehr über die Vereinigten Staaten bei als stures Auswendiglernen von Jahreszahlen im Geschichtsunterricht.  1963 - Ich war damals elf Jahre alt. Der junge amerikanische Präsident John F. Kennedy fährt in die Westsektoren von Berlin und sagt den Satz den man bis heute nicht vergessen hat „Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger Berlins, und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können ‚Ich bin ein Berliner‘!“ Bar jeder politischen Kenntnis war es für mich beeindruckend und ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben wie wir mit unserer Familie vor dem Schwarz-Weiss-Fernseher saßen und dem Besuch Kennedys in Berlin folgten. Nur einige Monate später saßen wir wieder vor dem Fernseher und konnten es nicht glauben, John F. Kennedy war bei einem Besuch in Dallas erschossen worden. Auch an die Übertragung der Trauerfeier erinnere ich mich. wie die Politik unter John F. Kennedy sonst so war, davon hatte ich keinen Schimmer. Vietnam war weit weg und was die Bürgerrechtsbewegung wollte war bei mir noch nicht angekommen. Amerika war irgendwie ein Traum und schließlich beschützten uns die Amerikaner vor den Kommunisten, deren Reich nur rund zwanzig Kilometer in einem Dorf namens Böckwitz begann.

Jugend - Das “andere” Amerika

Der Traum von Amerika begann bei mir zu bröckeln. Ausschlaggebend dafür waren neben dem Vietnamkrieg, der nun auf die Fernsehschirme kam das Buch “Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses”. Dass das weiße Amerika mit seinen Ureinwohnern wenig zimperlich umging war zwar schon in Karl May Filmen ansatzweise zu sehen gewesen, aber wie es tatsächlich seinerzeit zuging hatte man wohl vergessen uns im Geschichtsunterricht zu erzählen. Auch die Vorgänge in Vietnam waren kein Teil des Lehrplans. Das änderte sich als unsere Klasse zu einem sog. “sozialwissenschaftlichen Zweig” mutierte. Waren die Klassen bis dato in mathematisch-naturwissenschaftliche und sprachwissenschaftliche Zweige unterteilt, so kam nun der dritte Zweig, die sozialwissenschaftliche Orientierung hinzu. Neben klassischen Fächern traten nun auch Soziologie, Recht und Politik auf den Lehrplan. Wir Schüler waren gefragt und beteiligten uns emsig und mit Begeisterung an der Ausgestaltung des Unterrichts. Und auf einmal erfuhren wir ein “anderes Amerika”. Das hatte wenig gemein mit dem Amerika das uns vor dem Kommunismus beschützte. Worte wie “Schweinebucht” und “My Lay” tauchten auf. Keine Ruhmesblätter für ein Land das sich selbst als Hort der Freiheit und Demokratie darstellte. Die Vietnambewegung ließ selbst uns Schüler nicht kalt und eine Schülerdemonstration unter dem Slogan “Oma runter vom Balkon, unterstütz den Vietcong” war eine der Folgen. Die so angesprochenen Omas unterstützten den Vietcong erwartungsgemäß leider nicht. Sie hatten aber den giftig vorgetragenen Ratschlagt “Geht doch nach drüben wenn’s Euch hier nicht paßt.” parat. Aber dem wollten wir nicht folgen.

Studium - Amerika hilft, jedenfalls teilweise

1970 - Salvador Allende gewinnt die Wahlen in Chile. US-Außenminister Henry Kissinger ließ, als der Sieg der linken Kräfte absehbar war, verlauten: „Ich sehe nicht ein, weshalb wir zulassen sollen, dass ein Land marxistisch wird, nur weil die Bevölkerung unzurechnungsfähig ist.“

1973 begann ich mein Studium in Berlin, an einer von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika massgeblich finanzierten Universität, der Freien Universität in Berlin. In Berlin gab es damals den Militärsender der USA, AFN (American Forces Network). Army Sergeant Rick Delyel war der Moderator des Senders, der seinen deutschen Konkurrenten vom SFB was Musik anging haushoch überlegen war. Und nebenbei konnte man aus seinem Schulenglisch so ein halbwegs passables Englisch machen. Und ausserdem organisierten die Amerikaner das deutsch-amerikanische Volksfest in Zehlendorf und so kam man mit ihnen auch direkt in Berührung, nette Leute. Zum ersten mal in meinem Leben lerne ich Wein aus Kalifornien kennen. Mein Amerikabild entspannt sich ein wenig.

1973 organisierte die Regierung der Vereinigten Staaten unter kräftiger Beteiligung des damaligen Aussenministers Henry Kissinger den Militärputsch gegen Salvador Allende in Chile. Zehntausende Chilenen wurden verhaftet, gefoltert und getötet oder gingen in das Exil, u.a. in die DDR. Ein weiteres Meisterstück US-amerikanischer Aussenpolitik mit der die Regierung der Vereinigten Staaten das vorwegnimmt was der sowjetische Generalsekretär sechs Jahre später für den Machtbereich der UdSSR als “Theorie der begrenzten Souveränität” proklamiert. Im Gegensatz zur UdSSR allerdings wendet die USA diese Strategie auf Staaten an die sich gegenüber Washington als potentielle Gefahr darstellen.

1974 - Nachdem nicht mehr geleugnet werden kann tritt Präsident Nixon im Gefolge der Watergate-Affaire endlich zurück. Neben dem Eindruck dass die Regierung der Vereinigten Staaten offensichtlich meint sich alles erlauben zu können, überwiegt der Eindruck dass die Presse in Amerika wirklich unabhängig ist und die Macht des Weissen Hauses ihre Grenzen hat. Democracy at its best.

1983 - Nach gehabtem Muster “Wehret den Anfängen” interveniert die USA in Grenada, einem Land das dem Commonwealth of Nations angehört. Auch hier stört das vermeintliche Vordringen des Kommunismus.

1986 - Die Iran-Contra Affäre wird bekannt. Geld aus dem Waffenhandel der USA mit dem Iran wird von der Regierung Reagan dazu genutzt die sog.”Contra-Rebellen”  in Nicaragua bei dem Versuch die sandinistische Regierung zu stürzen zu unterstützen. Sicherheitsdienste der USA sehen weg als die Contras zwecks Finanzierung ihres Bürgerkrieges Rauschgift in die USA verbringen, m.a.W. die Regierung der USA duldet es dass Teile seiner Bevölkerung für “höhere Ziele” vergiftet oder zu Tode gebracht werden. Democracy at its worst.

Die Einzelheiten des Rests erspare ich mir mal und gebe nur Stichworte wieder. Als da wären die Intervention in Afghanistan und die Unterstützung der Mudschihedin die letztlich dazu führte dass ein Osama Bin Laden best ausgerüstet sich an sein blutiges Werk machen konnte. Da wäre die Intervention im Irak weil der Massenvernichtungswaffen habe. Das Ergebnis ein Desaster und ein langjähriger Bürgerkrieg. Der vollmundig angekündigte “Krieg gegen den Terror” hinterlässt ein Scherbenfeld wo immer auch die Vereinigten Staaten von Amerika auftauchen. Die seinerzeit in der Unabhängigkeitserklärung propagierten Menschenrechte wurden und werden nur noch in Sonntagsreden propagiert. Guantanamo besteht immer noch. Die Kriegsverbrechen im Irak die dank eines mutigen Soldaten dadurch an das Tageslicht kamen dass er ungezählte Belege dafür mittels WikiLeaks veröffentlichen ließ, sprechen eine ebenso deutliche Sprache wie die Dinge, die Edward Snowden jetzt zutage förderte. Die Vereinigten Staaten von Amerika die neben der Sowjetunion einen wesentlichen Anteil an der Niederringung des Hitler-Faschismus trugen und die großen Teilen Europas die Freiheit brachten, all das haben ungezählte Aktionen verschiedener Regierungen im Weissen Haus zerstört.

Es gibt das "andere Amerika" der Mutigen und Aufrechten

Und dennoch gibt es das “andere Amerika”. Es ist das Amerika der Bürgerrechtsbewegung, der Studenten von Berkley, das musikalische Amerika der Beach Boys, der Mamas und Papas, das Amerika von Joan Baez und Bob Dylan, das Amerika der Schriftsteller, des Mark Twain, des Ernest Hemingway und des Charles Bukowski. 

Es gibt das Amerika der Mutigen die nicht wegsehen. Nur hörte man von denen früher wenig. Mit dem Aufkommen des Internets hat sich all das gewandelt. Die Aktionen der Occupy-Bewegung hätte früher kaum jemand wahrgenommen.

Was früher lange brauchte um in die Öffentlichkeit zu kommen, das kann heute über Nacht den letzten Winkel der Erde erreichen. Und damit hat auch das “andere Amerika” eine Chance. Wenn heute ungezählte Menschen an Aktionen gegen die Überwachung teilnehmen, so geht es dabei nicht darum sein Missfallen gegenüber “den Amerikanern” kund zu tun. Es geht darum sich gegen eine Politik zu wehren die meint den Menschen bis ins Letzte durchleuchten zu müssen. Es geht darum sich auf die Seite derer zu stellen die ihrem Gewissen folgen und nicht wegsehen wenn Regierungen sich anschicken Verfassungen mit Füssen zu treten.

Anti-Amerika ist das bei weitem nicht. Anti-Amerikaner sind vielmehr die, denen Macht vor Recht geht. In diesem Sinne ist die heutige #StopWatchingUs Demonstration u.a. auch eine Aktion pro Amerika, für das “andere Amerika” für das die Whistleblower Edward Snowden und Bradley Manning nur stellvertretend stehen, das Amerika der Zivilcourage.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Wenn alles nicht hilft ... einfach lächerlich machen

NSA, Prism, Tempora, all das kommt für die "Kanzlerin der Herzen" zur Unzeit. Den Wahlkampf hatte man sich im Kanzleramt ganz anders gedacht. Eine sich selbst zerlegende SPD ohne überzeugenden Kanzlerkandidaten, eine "Erfolgsbilanz" die mit geschönten Armutsberichten und vermeintlich hohen Beschäftigtenzahlen aufwarten kann, eine sog. "Eurokrise" die langsam aus dem Blickwinkel des "mündigen Wählers" verschwindet, der Versuch die Forderung nach einem Mindestlohn mit der begriffsverwirrenden Lohnuntergrenze zu konterkarieren, alles das sind eigentlich beste Voraussetzungen für einen "Weiter-So-Wahlkampf" den man dank glänzender Umfragewerte für die Teflon-Kandidatin mit einem grandiosen Wahlsieg abschließen könnte.

Und dann das. Die amerikanischen "Freunde" denen man in deutscher traditioneller Nibelungentreue stets zur Seite steht wenn es darum geht den "Kampf gegen den Terror" zu führen, eben diese Freunde nutzen das Land der Germanen als Datensammelwiese und bescheren der "heiligen Johanna des Kanzleramtes" vielfaches Ungemach zur Unzeit. Zeit für den ungestümen "Retter des Vaterlandes an der Journalistenfront" Jan Fleischhauer sich im Spiegel zu den Vorgängen zu äußern und zu versuchen die Sache, die man beim besten Willen nicht mehr unter den Teppich kehren kann, ins Lächerliche zu ziehen. Dabei zeigt sich, dass man Journalismus auch abseits der Faktenebene, die eh nur hinderlich ist, betreiben kann. Daher hier noch mal in aller Kürze einige Klarstellungen:

Die Institution die den ganzen Datensammelwutzirkus veranstaltet ist die NSA (National Security Agency) und nicht wie Herr Fleischhauer meint, der CIA. Der kommt in dieser Schmierenkomödie diesmal ausnahmsweise nicht vor.

Gern falsch kolportiert Herr Fleischhauer auch wie bereits andere vor ihm, dass Snowden Mitarbeiter des Nachrichtendienstes gewesen sei (ob beim CIA, dem FBI oder  richtigerweise der NSA lassen wir mal offen). Nein, Edward Snowden war Mitarbeiter eines IT Dienstleisters der FÜR die NSA gearbeitet hat. Booz Allen Hamilton heißt der Laden dessen sich die NSA bedient hat. Und das macht zugleich darauf aufmerksam, dass selbst die NSA mit all ihrer Datenfischerei und ihrem Überwachungswahn nicht einmal in der Lage ist sich selbst zu schützen. Wie sie, und die Vertreter des "Kampfes gegen den Terror", uns dann im Zweifel gegen "richtige" Terroristen schützen wollen bleibt das ewige Geheimnis von Washington und lässt Raum für vielerlei Spekulationen darüber was man in den Schlapphutzentralen mit der Sammelwut tatsächlich bezweckt (Ganz nebenbei: Terror ist eine Art der sog. asymmetrischen Kriegsführung und kein Kriegsgegner).

Fleischhauer weist zu recht darauf hin, dass die SPD und die Grünen jetzt lauthals aufschreien, geschenkt. Einigen Parlamentariern nehme ich allerdings ihre Empörung ab. H.C. Ströbele z.B. dem Dissidenten innerhalb der Grünen kann man es abnehmen. Thomas Oppermann und Frank-Walter Steinmeier hingegen wohl eher weniger.

Eines ist Herrn Fleischhauer, dem verhinderten General Wenck des Kanzleramtes, jedenfalls klar. "Mutti-Weiss-ich-nicht-nie-gehört" muss aus der Schusslinie der unappetitlichen Vorfälle im "Neuland", koste es was es wolle. Sie macht ihre Sache doch ganz gut. Welche Sache eigentlich? Egal. Wenn Herr Fleischhauer jemanden selig sprechen möchte, dann doch wohl eher die Noch-Kanzlerin an der VOR der Wahl kein Stäubchen eines Zweifels hängen bleiben soll.

Richtig ist die Ansicht von Herrn Fleischhauer betreffend Moskau. Moskau ist nicht das "Mekka der Demokratie" und das weiß man nicht erst seit dem russische Amtsträger sich mittels zweifelhafter Methoden ihrer Kritiker entledigen. Moskau wird auch nicht dadurch demokratischer dass man dort Snowden zwischenparken lässt. Moskau ist ebenso wenig ein Hort der Demokratie wie das Land das bisher weder das internationale Menschenrechtstribunal in Den Haag für sich als verbindlich akzeptiert noch entgegen seinerzeit lauthals geäußerten Ankündigungen gesonderte "Menschenrechtsfreie Räume" in Guantanamo auflöst. Natürlich vergisst Herr Fleischhauer nicht darauf hinzuweisen welches Glück Edward Snowden allein schon dadurch habe, dass er kein russischer Staatsbürger sei. Und er bringt auch gleich einen Beleg. Bewusst oder vielleicht einfach mangels Sachkenntnis hat er vergessen darauf hinzuweisen, dass das demokratiedefizitäre Russland zwar mit dem zeitweiligen Aufenthalt von Snowden eigene Ziele verfolgen mag, sich aber in einem wesentlichen Punkt vom "land of the free" unterscheidet. Russland hat, in Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, bereits seit langem die Vollstreckung der Todesstrafe, die es als "ausserordentliche Massnahme der Strafe" noch im Gesetzbuch hat, per Moratorium seit langer Zeit ausgesetzt. Insoweit darf E. Snowden sich vielleicht glücklich schätzen dass er kein russischer Bürger ist. Noch glücklicher darf er sich aber schätzen dass die Vereinigten Staaten seiner noch nicht habhaft sind.

In einem stimme ich Herrn Fleischhauer zu. Jede Affäre strebt vom Tragischen ins Absurde um dann ins Lächerliche überzugehen.

Tragisch ist es wenn ausländische Nachrichtendienste, seien es sog. "befreundete" oder weniger befreundete sich ungehindert den Daten deutscher Bürger und Unternehmen widmen können ohne dass einheimische Dienste davon Kenntnis gehabt haben wollen. Dann stellt sich nämlich die Frage nach der Notwendigkeit der deutschen Schlapphut-Band. Tragisch ist es weiterhin wenn die ach so beliebte Kanzlerin sich dazu nicht eindeutig äußert. Na gut, mag man sagen, sie ist Physikerin und hat es daher eher mit der heisenbergschen Unschärfetheorie. Tragisch ist es spätestens wenn sie selbst es vermeidet sich ins Flugzeug zu setzen um ihren Standpunkt den "Freunden" eindeutig klarzumachen. Dann hat sie entweder ein gestörtes Verhältnis zu politischen Prioritäten oder kalkuliert ein, dass sie ihrem Innenminister demnächst einmal das "vollste Vertrauen" aussprechen muss, m.a.W. sie sucht prophylaktisch nach einem Bauernopfer.

Absurd wird es, wenn die Kanzlerin ihren Innenminister plakativ nach Washington entsendet, wohl wissend dass "die Freunde" den so Entsandten eher am langen Arm verhungern lassen würden bevor sie auch nur einen Jota an Wahrheit herausrücken würden. Aber lächerlich wird es schließlich wenn der Abgekanzelte dann aus Washington kommend der staunenden Öffentlichkeit erklärt dass die "Freundeshilfe" zur Verhinderung von Terroranschlägen geführt habe, wahlweise 45, dann fünf,davon aber ganz sicher zwei und nun sind es wieder sieben. Benennen könne man die in der Öffentlichkeit allerdings nicht aus Gründen der nationalen Sicherheit, Sie verstehen? Mal ganz am Rande bemerkt, weil auch immer gern falsch berichtet, die oft zitierte Sauerlandzelle flog durch einen eingeschleusten V-Mann auf, nicht durch Abhören der Telekommunikation und des Datenverkehrs.

Lächerlich ist es zudem wenn man weiterhin in Berlin versucht die Oper "Die Unwissende und das Supergrundrecht" aufzuführen. Lächerlich ist es abschließend auch, wenn ein Journalist versucht den eklatanten Verstoß gegen Grundrechte der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung, ein Grundrecht das vom Bundesverfassungsgericht entgegen der Grundhaltung der damaligen CDU-Regierung postuliert wurde, ins Lächerliche zu ziehen. Das zeigt einmal mehr wie weit man nicht nur im Berliner Regierungsviertel im Kampf um die Deutungshoheit in der Prism-Affaire ins Hintertreffen geraten ist. Aussitzen und Totschweigen scheint das Gebot der Stunde. Von einer Regierung "die nichts zu verbergen hat" könnte man anderes erwarten.

Ja, Herr Fleischhauer hat nochmals recht. Es gibt andere Probleme zu lösen als nur die Abhör- und Datensammelwut amerikanischer "Freunde" und ihrer Hilfswilligen vom Schlapphutregiment in Pullach und anderswo. Als da wären die immer noch nicht ausgestandene Bankenrettung auf Steuerzahlerkosten (Hat Merkel ja auch unheimlich gut im Griff),fehlende Perspektiven für Erwerbslose (ganz einfach per geschöntem Armutsbericht unter den Teppich gekehrt), die Energiewende (auch da nur vollste Erfolge wenn Spielcasinos und Banken sich von der EEG Umlage befreien lassen wollen) usw. usf. An Problemen mangelt es in Berlin nicht. An was es mangelt in Berliner Regierungsviertel, das ist so etwas wie Zivilcourage und eindeutiges Handeln. Wenn die Kanzlerin nicht weiß was das ist, einfach mal nach Venezuela gucken.

All die genannten Probleme und noch viel mehr könnte man angehen, wenn, ja wenn klar wäre dass man darüber wo immer auch kommunizieren kann ohne dass die Gefahr besteht dass ein Datensammelwut-Jünger nicht alles gesetzeswidrig "mithört und speichert". Aber so lange dass nicht klar ist und Deutschland einer der Hauptsammelplätze der "amerikanischen Freunde" und deren Satrapen ist, solange wird erst einmal dieser Augiasstall der Verletzung von verfassungsmäßigen Grundrechte und dem "Aussitzen von Problemen durch die Nichtregierungsorganisation im Kanzleramt" zum Thema gemacht werden.

Die Prism-Affaire ist noch lange nicht beendet, auch und gerade wenn es den selbsternannten Supergrundrechtsschöpfern nicht passen sollte.

Mittwoch, 10. Juli 2013

Merkel in Nibelungentreue fest

In einem Interview in der Zeit verteidigt die - ansonsten eigenen Bekundungen zufolge - ahnungslose Kanzlerin das Abhören von Telefonen und des Datenverkehrs und verwahrt sich zugleich dagegen die Arbeit der Sicherheitsbehörden mit dem Attribut "Stasi" zu belegen.

In der Diskussion um die Überwachung des Telekommunikations- und Datenverkehrs gleich mit der Stasi- oder Nazikeule zu kommen ist zwar aus einigen Sichten verständlich, aber sicher kaum immer hilfreich. Dass es unsere Nachrichtendienste jedoch mit der Gesetzestreue nicht immer allzu genau nehmen, das weiss derjenige der sich noch an den ehemaligen Bundesinnenminister Hermann Höcherl im Jahre 1963 und dessen Ausspruch erinnern kann demzufolge Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz könnten nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen. Bereits damals hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz gesetzeswidrig Telefonabhörmassnahmen durch alliierte Dienststellen vornehmen lassen.

Wenn ein Staat seinem Bürger mit einem vorbeugenden Mißtrauen begegnet dann ist erheblich "etwas faul im Staate Dänemark". Die Gefahr permanenter Überwachung liegt sowohl in der Überwachung selbst, aber mehr noch in der sich automatisch in die Köpfe einnistenden Schere die dazu führt dass man auf lange Sicht bereits bestimmte Gedanken nicht mehr erlaubt. Insoweit sei der Vergleich zum "DelDenk" (Gedankenverbrechen des Orwellschen "1984") erlaubt. Wer sich diesem Argument verschliesst, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen zumindest ein fragwürdiges Verhältnis zum Verhältnis Bürger - Staat als auch zum demokratischen Diskurs und dem Infragestellen von gesellschaftlichen Strukturen zu haben. Der Ausdruck von der "marktkonformen Demokratie" läßt da einige Rückschlüsse zu.

Zudem sei die Kanzlerin daran erinnert, dass Sicherheitsorgane dazu tendieren eigene Ansichten so zu verfestigen dass kaum oder kein Raum für Entlastendes bleibt. Wer daran zweifelt, der sei an den Prozess gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König in Dresden erinnert bei dem entlastendes Videomaterial "merkwürdig verspätet" an das Tageslicht kam.

Die Gefahr permanenter Überwachung der Bürger liegt sowohl in der Überwachung selbst, aber mehr noch in der sich automatisch in die Köpfe einnistenden Schere die dazu führt dass man auf lange Sicht bereits bestimmte Gedanken nicht mehr erlaubt. Insoweit sei der Vergleich zum Gedankenverbrechen des Orwellschen "1984" erlaubt. Wer sich diesem Argument verschliesst, der hat zumindest ein fragwürdiges Verhältnis zum Verhältnis Bürger - Staat als auch zum demokratischen Diskurs.

Wenn die Kanzlerin schliesslich fordert in der Debatte um #PRISM und die #NSA die besonderen Beziehungen zu den USA stärker zu berücksichtigen und sie sich wünscht sich, "dass wir die notwendige Diskussion mit den Vereinigten Staaten von Amerika in einem Geist führen, der bei allen mehr als berechtigten Fragen nie vergisst, dass Amerika unser treuester Verbündeter in all den Jahrzehnten war und ist." und die deutsche Einheit "einen großen Vertrauensvorschuss für das wiedervereinigte Deutschland" bedeute, dann vermischt sie wissentlich Politik und Recht.

Deutsche Bürger haben ein Recht darauf dass ihre Regierung alles unternimmt um den Schutz der Privatsphäre der Bürger zu gewährleisten. Für Schwüre der Nibelungentreue ist da kein Raum auch und vielleicht gerade in Wahlkampfzeiten nicht.