Freitag, 3. Oktober 2014

Worte des Vorsitzenden ... heute: Tag der Deutschen Einheit

Dieser Beitrag ist der "West-Beitrag" zum Tag der Deutschen Einheit und eine Ergänzung zu einer Sicht aus östlicher Perspektive.

Da ist er, fast schneller als erwartet, der 24. Tag der Deutschen Einheit. Ich hatte mich geirrt. Der 25. Jahrestag des Falls der Mauer aber eben nicht der 25. Tag der Deutschen Einheit. Was verbinde ich, der ich von West nach Ost gewandert bin mit dem Tag der Deutschen Einheit? Zunächst einmal die DDR. Und die war für mich - mit Ausnahmen - weiter weg als der Mond. Ja, ich war ab und zu im "real existierenden Sozialismus" und ich erlebte ihn immer wieder von seiner "anheimelnden Seite" wenn ich mal wieder vom Westteil Berlins über den Transitkorridor nach Helmstedt führ. DDR? Das war dieses "schwarze Loch" das man schnellstmöglich durchqueren wollte und in dem man vielleicht ab und zu noch verbilligt an der Transittankstelle tanken konnte. Die DDR machte es einem auch nicht gerade leicht sie sympathisch zu finden. Und dann war sie auf einmal schneller weg als man es sich je hätte vorstellen können.  Und nun haben wir ein Deutschland und feiern die "Wiedervereinigung" am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit. Und was verbinde ich mit dem 3. Oktober 1990?

Ehrlich gesagt wenig, dieser Tag scheint mir immer noch ein wenig "aufgeblasen" und künstlich. Die Festrede zum 24. Tag der Deutschen Einheit, muss ich sie mir antun? Ich denke eher nicht. Zu weit sind meine Ansichten von den Ansichten derer entfernt die da in trauter Runde das Pathos einer "Wiedervereinigung" beschwören die keine war.

Wesentlicher und mir immer noch in Erinnerung sind die Ereignisse um den 9. November 1989, dem Tag "an dem die Mauer fiel". Damals lebte ich im Westteil von Berlin und wenn meine damalige Frau nicht gewesen wäre, dann hätte ich diese Nacht verschlafen. Sie war es, die die Nachricht im Fernsehen sah und darauf bestand dass wir unbedingt zum Brandenburger Tor müssten um, wie sie meinte, Geschichte hautnah zu erleben. Und da hatte sie im Nachhinein betrachtet zweifelsohne Recht behalten.

Wer damals dabei war, der wird die Momente sicher kaum vergessen als eine nicht enden wollende Menge durch die Mauer kam. In dieser Nacht war alles anders. Und wir alle waren euphorisch. Niemand konnte absehen was in der kommenden Zeit passieren würde. Nur eines war irgendwie klar, das war das Ende der DDR wie wir sie kannten. Optimistisch waren wir alle. Alles würde anders werden, auf alle Fälle besser.

Was dann kam, das war nicht unbedingt "besser". Anders war es auf alle Fälle. Viel von der Euphorie von damals ist schneller verflogen als man es geglaubt hatte. Für den Westen änderte sich sich einiges. Aber für die noch vor kurzer Zeit in wohlfeilen Sonntagsreden viel beschworenen "Brüder und Schwestern hinter dem eisernen Vorhang", für die änderte sich fast alles. Sie, für die "der Westen" noch vor kurzer Zeit unerreichbar gewesen war, standen nun staunend im Westen. Was niemand von uns im vollen Umfang zur Kenntnis nahm war die Tatsache dass nun alle, aber auch restlos alle, nach den Regeln des Westens zu spielen hatten.

Das fing mit der vollständigen Übernahme der Rechtsordnung des westlichen Teils an, die, wie verlautet werden ließ, sowieso die "freiheitlichere" war. Da wuchs nicht zusammen was zusammen gehörte, da überwucherte der Westen den Osten und ließ nicht einmal den Hauch einer Chance zu überlegen was der Osten zu einem gemeinsamen neuen Deutschland beitragen könne. Mit Verwunderung konnte der aufmerksame Beobachter auch feststellen wie Teile der Nomenklatura des einst ungeliebten "kleineren Bruders" die Seiten unter tatkräftiger Mithilfe des Westens die Seiten wechselten, eine "Serviceleistung" des Westens die man, obwohl einst mit Pomp und Ehren empfangen, nicht allen angedeihen ließ. Das einzig sichtbare Überlebende des Ostens war das Ampelmännchen und der Rechtsabbiegepfeil.

Das Zivilgesetzbuch der DDR? Es ist Geschichte. An seine Stelle trat das BGB von 1900. Das kurze und einfache Familiengesetzbuch der DDR? Es traf das gleiche Schicksal. Die einstige Chance des Grundgesetzes dass das deutsche Volk sich nach einer Wiedervereinigung gemeinsam eine Verfassung geben solle, diese Versprechen wurde in der Folgezeit heimlich still und leise aus dem Grundgesetz gestrichen damit nur nicht jemand aus Versehen auf falsche Ideen käme.

Das Zusammenwachsen der Dinge die zusammengehören, hat es stattgefunden? Das kommt sicher darauf an welcher Generation man angehört. Für die kurz vor oder nach dem Mauerfall geborenen existiert die DDR nur noch als Teil der Geschichte. Für die Menschen die das geteilte Deutschland noch gekannt haben, für sie wächst Deutschland sicher noch immer zusammen. Noch sind Ost und West nicht eins. Niedrigere Ostlöhne gibt es immer noch genau wie die niedrigere Ostrente und es gibt weiterhin interessierte Kreise die den östlichen Niedriglohn-Sektor Deutschlands weiter bestehen lassen wollen. Ob der Mindestlohn dem ein Ende setzen wird, wer weiss.

Ich bin im Osten angekommen. Leipzig, früher irgendein Punkt auf einer Landkarte, ist heute meine Heimat. Dass ich einmal dort landen würde, wenn man mir das vor dem 9. November 1989 gesagt hätte, ich hätte ihm einen Besuch beim Arzt empfohlen.

Und wie ordne ich die deutsch-deutsche Wiedervereinigung, die eine Übernahme war, heute ein? Trotz aller Widrigkeiten war es sicher der richtige Weg. Ob man auf diesem Weg soviel Porzellan hätte zerschlagen müssen? Die Wiedervereinigung ist für mich positiv besetzt wenn ich daran denke welche großartigen Menschen ich sonst niemals kennengelernt hätte. Eingetrübt wird das Ganze nur dadurch dass viele Chancen auf eine gemeinsam getragene Reform auch des Westens nicht genutzt worden sind.