Freitag, 8. Februar 2013

Von Geflügel und Flügeln

 Nun ist es also soweit. Die Piratenpartei wird "erwachsener". Schon vor einiger Zeit waren einige  überzeugt dass es Gruppen wie die "Kernies", also die Verfechter eines Programms der ursprünglichen Kernbereiche der Piraten, als da wären u.a. Datenschutz, Bürgerrechte und Fragen des Urheberrechts und der GEMA z.B., als auch Verfechter eines "Vollprogrammes" gäbe. Die Existenz einer "Gruppe42" in der sich die Anhänger der Kernprogramm-These sammelten legt beredtes Zeugnis davon ab.

Nun macht eine neue Gruppierung von sich reden die unter dem Signum des "Sozialliberalen" antritt. Unter der Bezeichnung "Frankfurter Kollegium" und in die Rechtsform eines e.V. gekleidet, hat die Gründung einer Gruppierung stattgefunden mit dem Ziel effektiver und überwiegend begrenzt auf die vormaligen Kernthemen der "alten Piratenpartei" politisch arbeiten zu wollen und die Vorstellungen der Kollegiaten in die Piratenpartei einbringen zu wollen.

Ich halte die Piraten, die für sich die Entscheidung getroffen haben ihre politische Arbeit in der Piratenpartei vermittels des "Frankfurter Kollegiums" zu verstärken, nicht für ein "enfant perdue". Es macht mich allerdings traurig wenn ich sehe, dass es manchem Piraten (und mancher Piratin) teilweise nicht möglich scheint die politische Arbeit in den gegenwärtigen Strukturen durchzuführen. Und wir, die wir weiterhin versuchen unsere politische Arbeit in der Piratenpartei und ihren Strukturen voranzubringen, sollten uns vielleicht auch fragen, was unsere Vitalienbrüder und -schwestern bewegt haben mag sich diese Organisationsform zu suchen. Umgangsformen oder deren Mangel untereinander würden mir dabei u.a. ebenso einfallen wie endlose GO-Schlachten auf Bundes- und sonstigen Parteitagen.

Desungeachtet halte ich einige Dinge für beachtens- und kritiserenswert bei den Vitalienbrüdern und -schwestern. Interessant finde ich die Tatsache dass man meinte die ganze Affaire heimlich still und leise  anrühren zu müssen. Ob das mit der allseits beschworenen Transparenz vereinbar ist, das muß jeder für sich entscheiden. Der Hinweis auf ggf. auftauchende Trolle vermag da kaum zu verfangen. Ist die Angst so groß? Wie groß mag da erst die Angst sein wenn der vermeintliche politische Gegner nicht mehr aus den eigenen Reihen kommt sondern es sich um reale politische Gegner handelt?

Das sog. "Manifest" der Frankfurter wirft bei mir so manche Frage auf. Oft taucht da das Wort von der "Freiheit". Und diese Freiheit die da in mannigfaltigen Zusammenhängen bemüht wird, läßt bei mir ab und zu die Erinnerung an den inflationären Gebrauch des Freiheitsbegriffs im Ordoliberalismus aufkommen. Und dann ist es auch nur ein kleiner Schritt zu der Freiheit die inflationär vielbeschworen etwas ganz anderes meint.

Die Existenz eines "Aufnahmekreises" wirft bei mir eher Fragen auf als dass Klarheit geschaffen wird und die im Videostream bei der Gründungsveranstaltung gehörte Bezeichnung "Wächterrat" führt bei mir eher zur Assoziation von "vorbeugender Großinquisition", etwas was ich nur schwerlich mit den Idealen einer auf Transparenz bedachten politischen Gruppierung in Übereinstimmung zu bringen vermag.

Was eigene Positionspapiere eines Vorstandes bewirken sollen vermag sich mir jedenfalls im Moment ebenfalls nicht zu erschließen. Daß diese Positionspapiere nicht den Beschlüssen der Mitgliederversammlung widersprechen dürfen ist zwar tröstlich, wie es aber bewerkstelligt werden soll dass dieser Fall nicht eintritt bleibt wohl das ewige Geheimnis der "Frankfurter".

Ok, jetzt haben wir sie, die organisierten Flügel. Damit können auch andere Parteien leben, der Seeheimer Kreis der SPD würde mir dabei einfallen. Die Flügel dürfen aber keinesfalls dazu führen, dass die Partei insgesamt mit der Kraft eines toten Suppenhuhns aufgeregt mit den federlosen Flügeln flattert und dabei völlig ins Hintertreffen gerät warum wir Piraten angetreten sind. Richtig, wir wollen den tiefgreifenden Wandel(1) auf möglichst vielen Gebieten. Sei es im Rahmen einer Neufassung des Urheberrechts (das soll, auch wenn man es nicht glaubt nämlich nicht völlig abgeschafft werden, sondern die internen Modi sollen einer Prüfung unterzogen werden, wer bekommt was? Der Autor, das publizierende Unternehmen, wie lange soll der Schutz des Urheberrechts gelten?)

Auf dem Gebiet des Leistungsschutzrechtes, auf dem Gebiet der Überwachung und des Datenschutzes und auch auf Gebieten wie dem BGE, der Europapolitik, der Altersversorgung und der Wirtschaftspolitik sollen neue Denkweisen um sich greifen.

Was ich nicht will ist eine Teilung in "Bolschewiki" und "Menschewiki". Dafür sind wir nicht nur zu klein. Wesentlicher ist, dass wir auf diese Weise unbeabsichtigt das Geschäft des politischen Gegners besorgen. Eine geschwächte Piratenpartei ist das Letzte was wir brauchen. Was nötig ist, das ist eine Piratenpartei die trotz innerer inhaltlicher Unterschiede nach aussen hin schlagkräftig auftritt, im anstehenden Bundestagswahlkampf ihre Argumente und ihr Programm offensiv vertritt (2) und damit den Weg bereitet für eine möglichst starke zukünftige Bundestagsfraktion.

Wenn schon Flügel, dann halte ich es da lieber mit den Flügeln des "Preußischer Ikarus", am besten aber mit kraftvollen Schwingen. Vieles hat sich geändert seit 1989 und vieles aus diesem Lied ist überholt. Die Bürgerfreiheit ist zwar nicht gänzlich abgeschafft. Versuche sie Stück für Stück abbröckeln zu lassen gibt es aber immer noch genug. Man mag in diesem Zusammenhang an das erfolgreich abgewehrte ACTA Abkommen denken. Aber die Existenz vonACTA Nachfolger zeugt davon, dass der Kampf noch lange nicht entschieden ist. Und daher sollten wir unsere Kräfte nicht im "Flügelismus" vergeuden sondern bündeln und möglichst effektiv einsetzen.Aufsplitterung der ohnehin nicht allzu zahlreichen Kräfte wird weder den Kollegiaten bei der Durchsetzung ihrer Vorstellungen helfen noch denen die ihre politische Arbeit in den bisherigen - sicher verbesserungswürdigen - Strukturen der Piratenpartei voranbringen wollen. Es gilt immer noch der Satz unserer Altvorderen. "Allein machen sie Dich ein."

In diesem Sinne möchte ich es auch nicht machen wie eine bekannte Computerfirma, die seinerzeit IBM im Bereich der Arbeitsplatzrechner willkommen hieß. Vielmehr soll mein "Willkommen" heißen "Willkommen nochmals in der Piratenpartei in der wir zukünftig gemeinsam um die beste Lösung ringen werden."


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(1) ich kann das Wort "Reform" nicht mehr hören. Das Wort "Reform" ist im gegenwärtigen politischen Kontext nichts weiter als ein Euphemismus für Umverteilung von unten nach oben. Andere beschreiben das weniger verniedlichend einfach als das was es ist, ein Verteilungskampf. Und Warren Buffet, der bekannte Investor hat es einmal auf den punkt gebracht als er anmerkte dass das was sich da gerade abspiele Klassenkampf sei und seine Klasse gerade dabei sei zu gewinnen.

(2) Ich hatte das mal in die Worte gefaßt "Wir treten nicht gegen andere Parteien an, wir treten für (die) Menschen an". Vielleicht können wir uns ja darauf verständigen.

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