Freitag, 1. November 2013

schön dass wir mal darüber geredet haben

Gestern abend ... im TV das Übliche. Bei Illner sitzt eine Gesprächsrunde zusammen. Das Thema: Digitale Aufrüstung. Der Anlass: Das Handy unserer Kanzlerin, Angela Merkel, wurde abgehört ... von unseren "Freunden" aus den Vereinigten Staaten. Die Runde beinhaltet die üblichen "Verdächtigen". Wo früher die unvermeidlichen Olaf Henkel und von Dohnanyi gastierten, da übernimmt Bosbach die Rolle des "leichtempört Bedächtigen", Trittin hat die Rolle des "staatsmännisch Zerknautschten" eingenommen und Marina Weisband gibt den Piraten, die man in der Berichterstattung sonst gekonnt übergeht, ein telegenes Gesicht. Ein ehemaliger deutscher Botschafter darf nicht fehlen. Und Maybritt Illner ist die Stichwortgeberin.

Um was geht es? Vor wenigen Monaten liefen Meldungen über die Massenmedien dass fremde Nachrichtendienste (die der Vereinigten Staaten und Grossbritanniens) unter dem Signum der Terrorbekämpfung flächendeckend den Internetverkehr überwacht hätten. Die Reaktion der deutschen Regierung? Fehlanzeige. Es war Vorwahlzeit und da störte die Frage nach dem ausgesprochen "unfreundlichen" Verhalten unserer "Freunde" nur. Antiamerikanismus sei das, Populismus und das Ganze diene ja nur der Terrorabwehr und damit uns allen. Und schliesslich verstieg sich der Innenminister zur Äußerung dass ihm das Ganze "mächtig auf den Senkel gehe". Der Minister im Kanzleramt gar erklärte die ganze Sache "sei vom Tisch" nachdem die betroffenen Stellen in den Vereinigten Staaten sich schriftlich und mündlich geäußert hätten.

Und dann das. Wenig später wird bekannt dass jemand das Handy der Kanzlerin abgehört habe, unerhört. Eine Welle der Empörung schwappt, wenn nicht durch ganz Deutschland, so doch zumindest durch die politische Klasse. Nun, nachdem die Wahl eben die wieder an die Schalthebel der Macht zurückbringen wird die vormals beredt schwiegen, nun kann man sich ein wenig Empörung leisten. Abhören unter Freunden, na das gehe nun mal gar nicht, so die Kanzlerin.

Ausserhalb der etablierten Parteien sammelt sich Widerstand, von dem die Massenmedien erstaunlich wenig weitergeben. Ob Demo in den USA oder in Deutschland, Schweigen ist auf das Land gefallen. Und Otto Normalverbraucher hat ja bei den Wahlen seine Stimme abgegeben und bleibt daher stumm, wie bereits zuvor.

Und was wird also an solch einem Abend debattiert? Relativ wenig Neues. Das SWIFT Abkommen und das Safe Harbour Abkommen solle man aufkündigen. Die Verhandlungen zum angestrebten Freihandelsabkommen werden selbstverständlich infrage gestellt, nur nicht von allen. Die Vorstellung eines "German Internet" wird Gott sei Dank nur kurz gestreift. Die Grundsatzfrage stellt @afelia. Es gehe nicht um die Auseinandersetzung unter Nationen. Es gehe um den Widerspruch Bürger vs. Staat allgemein. Und natürlich könne man sich verstärkt individuell z.B. dadurch wehren dass man seine Kommunikation verschlüsselt. ja, es sei auch denkbar dass "der Staat" den Bürger mit Mitteln zur Kommunikationsverschlüsselung ausstatte. Auszugehen sei aber vom Anspruch des Menschen auf Privatheit dem sich auch der Staat zu beugen habe. Das einzige Argument das bei mir verfängt.

Und dann kommt er doch noch, der Standardhinweis auf den ich schon lange in fast jeder Diskussion warte. Schliesslich sei bei aller Empörung nicht zu vergessen dass die Vereinigten Staaten in Deutschland auch Arbeitgeber für mehr als eine Million Bürger sei.

Ein mittelprächtiger Würgereiz macht sich bei mir breit. Genau, das Totschlagsargument "Arbeitsplatz" ist aus dem Zylinder geholt wie weiland das Zauberkaninchen. Es nimmt heute die Rolle ein, die bei früheren politischen Diskussionen durch das Argument "Wenn's Dir hier nicht passt geh doch nach drüben" ausgefüllt wurde. Mit Arbeitsplätzen kann man heute offensichtlich jegliche Sauerei rechtfertigen und die Diskussion im Keime abwürgen. Arbeitsplatz kontra Grundrechte scheint die neue Losung zu sein. Ja, und wenn es um Arbeitsplätze geht dann will niemand etwas riskieren.

Dass das Abhören eines - noch dazu unverschlüsselten - Handys die deutsche Öffentlichkeit aufrüttelt scheint mir wenig wahrscheinlich. Schliesslich hat man ja nichts zu verbergen. Und die Verletzung des Grundrechtes auf Privatheit, auch schon mal mit den Worten "Datenschutz ist Täterschutz" desauvouiert, dient letztlich dem Schutz vor Terror. Und da scheint es mir fast als ob die Rhetorik vom "Supergrundrecht auf Sicherheit" bei meinen Landsleuten verfängt. Zunehmend erinnere ich mich an die Aussage Lenins, der seinerzeit über die Revolutionswilligkeit der Deutschen folgendes gesagt haben soll :"Wenn die Deutschen eine Revolution auf dem Bahnhof machen, dann holen sie sich zuvor eine Bahnsteigkarte."


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